Pressestimmen
zu Red Rain (Auswahl)

 
Vorweg: Hier sind nicht nur positive Kritiken und Verrisse versammelt, sondern auch gute Beobachtungen und reiner Unsinn. Ich wähle Rezensionen auf meiner Homepage vor allem nach dokumentarischen Kriterien aus.

Links zu weiteren Kritiken (online):

(arga), Kommission für Schul- und Gemeindebibliotheken des Kantons Luzern, Juli 1999:

Das Werk ist ein Wischiwaschi aus sprachlichen Fetzen von Deutsch, Berlinerslang und Englisch, das von linguistischen Abnormitäten bewusst wimmelt. Uns erscheint es zu gekünstelt, um es positiv würdigen zu können.

Werner Fuld in FOCUS vom 6.9.1999:

Mit grellem Witz nimmt Jensen den esoterischen Schwachsinn und die mediale Vermarktung der Endzeit-Ängste aufs Korn. Diesem rasanten literarischen Apokalypso merkt man nicht an, dass es sich um ein Debüt handelt. Besser kann man die Endzeit nicht beginnen.

Joscha Schmierer in Kommune, Oktober 1999:

Eines sticht ins Auge: Wahrscheinlich entspringt Multikulti als Ideologie einer gelangweilten Mittellage, in der entgegengesetzten individuellen Lebensentwürfen und Phantasmagorien hintergejagt wird, um die Gleichförmigkeit der Ängste und Wünsche übersehen zu können. Jensen geht in einer brutalen und differenzierten Sprachübung gegen die herrschende Mittelmäßigkeit an, doch vermeidet er es, den Freak zu verherrlichen. In dem Absurdistan, das er beschreibt, ist er selbst die absurdeste Figur.

Regina General in Der Freitag Nr. 41 vom 8.10.1999:

Und da steht der Leser nun, detailgespickt, verwirrt von seinem eigenen Alltag. Denn nichts anderes beschreibt Marcus Jensen in diesem Buch. Der Unterschied zum scheinbar Normalen: anders als in der Realität, in der im Kopf jedes einzelnen eine Art Filter existiert, der Informationen und Bilder in die eigene Welt einpasst und dadurch entwirrt, setzt der Autor bewusst auf gleichwertiges Nebeneinander sämtlicher Eindrücke. Wirklichkeit, was ist das? Für Jensen alles, was bis ins Bewusstsein dringt. (...) Ein Puzzle, eine Zapporgie oder das Enddrama, das die Jahrtausendwende als Folie benutzt, um dem Ausgeliefertsein das Zurück- zur-Natur, zum indianischen, tröstlichen Wunderglauben an Manitou und die Weisheit des Heilers entgegenzusetzen? (...) Die Karikatur verlangt die grobe Überzeichnung. Jensen liefert die Beschreibung und hofft auf die erlösenden Sprüche. Die Leere im Tohuwabohu wird überdeckt von Sprache, die hüpft, singt, tanzt und dann wieder abstürzt in den Slang und die Primitivkonstruktionen der Jugendgangs und Seifenopern. Angemessene "Kultur" der letzten Jahre des Jahrhunderts. Alles wiederholt sich. Zufällig aber ist die Mischung nicht, nicht in diesem Roman. Das ordentlich Gestaltete braucht Zeit, das einzige, was die Endzeit nicht hat. Red Rain aber setzt sich fort, ins nächste Jahrtausend.

Stefan Schmitt in Abendzeitung (München) vom 18.11.1999:

Das Debüt von Marcus Jensen parodiert eine Gegenwart, die scheinbar nicht mehr zu bieten hat als ihre eigene Oberfläche. Gleichwohl ist sie aber fähig, Ereignisse und Kulte aus dem Nichts zu stampfen. Esoterisch verbrämt wird auch das Banalste zur Sensation. Ein genialer Griff Jensens sind die antagonistischen Hauptfiguren: Der Held, der seine beste Zeit hinter sich hat und namenlos bleibt. Sowie seine Ex-Freundin Regina, inzwischen jüngste Staatssekretärin der Republik. Im Verlauf der Handlung stellt sie sich als Superintrigantin heraus, ohne je selbst aufzutreten. Die Erinnerung an sie beschäftigt den falschen "Red Rain" wesentlich stärker als sein Auftritt. Er ist gefangen in der narzisstischen Annahme, alles sei eine persönliche Rache Reginas an ihm. Persönliche Symbole sind stärker als das Offensichtliche. Unfähig, die ihm zugedachte Rolle zu erkennen, spielt er sie perfekt.

Burkhard Scherer in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.11.1999:

Vorhang zu und alle Fragen offen. Gibt es NOX IRAE? Gibt es die Bombe und wird sie explodieren? Wo und wer eigentlich ist Regina? Wie gestaltet sich Red Rains Auftritt? Und wer wird Sieger in der "Endzeit-Show"? Mario, der Kandidat, der angab: "Manchmal hab ich sogar Anx dass ich nich genug Anx hab"? Gewonnen hat in jedem Fall Marcus Jensen. Er legt mit Red Rain ein wundervolles Romandebüt vor, dem alles Debütantenhafte abgeht. Der 32-Jährige (...) hat eine vielstimmige Geschichte von hoher Kompliziertheit geschrieben. Getragen wird sie von situativen Monologen des Protagonisten an zwei Abwesende, Regina und einen "Zücho-Dok" Dechart, die einzigen Menschen, die ihm aus den letzten zehn Jahren als Gesprächspartner einfallen. Diese Monologe sind kurztaktig verschnitten und verschränkt mit der direkten Rede in seiner Umgebung und mit Tönen aus dem Fernsehen; William Gaddis grüßt von Ferne und sicherlich wohlwollend, denn all diese Fragmente transportieren und entwickeln jeweils eigene Geschichten, die doch wie von selbst sich zu einem Text fügen. Das alles ist bei näherem Hinsehen ausgesprochen akribisch gearbeitet und bekommt gerade daraus seine Leichtigkeit, seinen Witz und seine Kurzweil.

Georg Klein in Am Erker Nr. 38, Dezember 1999:

Es handelt sich bei diesem schmalen Buch (...) also um eine Jahr-2000-Story, eine Liebesgeschichte und um einen Medien-Polit-Thriller. Ein schweres Gewicht, an dem der Text ernstlich zu schleppen hat, das weiß der Autor wohl. Aber er macht aus der Not eine Tugend und schlägt einen unernsten Ton an. In der Tat muß es witzig sein, aus diesem Buch vorgelesen zu bekommen. Der Erzähler selbst ist mit seinen grandiosen esoterischen Heilserwartungen, mit seiner wehmütigen Endlosliebe zu Regina, mit seinen Abstürzen in jammernde Selbstverachtung und Welthaß eine dankbare Lachnummer. (...) Das macht der Autor perfekt. (...) Zum Ablachen. Als Leser und Kollege von Marcus Jensen gestehe ich aber, daß ich das, und sei es noch so gekonnt gemacht, nicht für das Nonplusultra männlichen Humors und nicht für das fruchtbarste Verfahren gegenwärtiger Literatur halte. (...) So hat für mich Red Rain seine besten und wirklich bewegenden Stellen in den ernsten und eher beschreibenden Passagen, in den Arizona-Teilen, wo die Frage nach einer "Heilung" von Schmerzen nicht nur durch den Kakao gezogen wird, und im Schlußmonolog des Helden. (...) Hier erobert sich Jensens Sprache (...) ihren eigenen heilversprechenden Erfahrungsraum zurück.

Elmar Krekeler in Die Welt vom 18.12.1999:

Beginnen wir mit einem Mantra. Das beruhigt, und Beruhigung tut ja Not in diesen Tagen. Bei diesem Buch sowieso. (...) Marcus Jensen zappt seine Leser während Red Rains letztem Ritt hochvirtuos durch die Denkprogramme des Scheinindianers. Red Rain ist eine Art literarisches Videospiel, in dem Realitäts- und Erinnerungssplitter munter, aber wohlkalkuliert durcheinanderschießen, immer neue, immer tiefere Ebenen des bundesdeutschen Alltagswahns erreicht werden. Vor allem rechnet Jensen gnadenlos, gnadenlos lustig und gnadenlos gekonnt ab mit allem, was von den Siebzigern übrigblieb. Derart überzeugend, dass man am Ende beginnt, "NOX IRAE" die Daumen zu drücken.

Harald Jähner in Berliner Zeitung vom 24.12.1999:

Zur Unsterblichkeit hat Marcus Jensen kein rechtes Verhältnis. Wenn ein junger Schriftsteller am 23. August dieses Jahres eine Art Sciencefiction-Roman veröffentlicht, dessen Handlung am 31. Dezember desselben Jahres spielt, dann muss es sich entweder um eine Marketing-Idee mit kurzfristigen Umsatzzeiten handeln, wie sie bei Silvesterkrachern üblich sind, oder der Mann pflegt einen schon fast bewundernswert verschwenderischen Umgang mit seinen Talenten. (...) Marcus Jensens Debütsatire über Kultbewegungen, Esoterik und kollektive Hysterie zeugt von einem außerordentlichen Talent, luxuriös verballert in einem grellen Feuerwerk, das sich zu lange hinzieht, weil sich der Feuerwerker mangels einer zündenden Idee für das Finale vor dem Aufhören scheut.

Marion Lühe in Rheinischer Merkur vom 31.12.1999:

Die Aneinanderreihung hektischer Sequenzen sorgt für das atemberaubende Tempo des Romans, der durch den Wechsel zwischen Innenperspektive und Außenwelt vorangetrieben wird und unerbittlich auf den großen Showdown zurast. Wenn am Ende dieses temperamentvollen Debüts der Wodka in Strömen fließt und alle Masken fallen, ringt man nach Luft. In der Literatur hat das neue Jahrtausend schon begonnen.

Verena Auffermann in Süddeutsche Zeitung vom 31.12.1999:

Marcus Jensen gibt sein Roman-Debüt im Namen des apokalyptischen Großstadtindianers. Sein Silvester-Roman richtet sich an die weitverbreitete Intelligenzia der Comicleser und an die Indianer der Welt. Damit sind alle gemeint, die quer in ihrer Haut stecken. (...) Marcus Jensens Jargon stammt nicht aus dem Alphabet der Minima Moralia, sondern aus dem Orkus unserer schönen neuen Welt. (...) Marcus Jensen ist ein Scherzkeks, der die tiefere Bedeutung im Kopf hat und sie in rasanter Folge aufs Papier bekommt. (...) Marcus Jensen ist witziger als unser Sonntagspfarrer und Harald Schmidt zusammen. (...) Marcus Jensen, der 1967 in Hamburg geboren wurde, geht mit seiner 170-Seiten-Kolportage ein hohes Risiko ein. Er zeigt sein vitales Talent und seinen Mut, die Blödheit des Lebens im Slang des deutschamerikanisch aufgemotzten Bewusstseins an einer kleinen bösen Geschichte aufzuhängen. Aber er riskiert das "Abschalten" seiner Leser. (...) Ein Zukunfts-Szenario: Marcus Jensen wird von den Spürhunden der Fernsehwelt vom Buchmarkt weggekauft und vom TV-Leib verschlungen. Und eines Tages könnte er Oberhäuptling sein! (...) Dieses strapaziöse Debüt ist das originellste des Jahres 1999. Unerträglich und zutreffend. (...) Marcus Jensen hat als Analytiker des Medienslangs und anderer sozialpolitischer Katastrophen eine Talentprobe hinterlassen. Wie's weitergeht, wenn's weitergeht, erfahren wir mit Interesse.

Aline Willeke unter literaturkritik.de Nr. 1, Januar 2000:

Marcus Jensen parodiert ausgezeichnet den Ton eines Late-Show-Entertainers, der an Harald Schmidt denken lässt. Die montageartig zusammengesetzten Erzählebenen erzeugen Dynamik und Spannung und lassen dem Leser den Fahrtwind des temporeichen Trips um die Nase wehen. Im Gegensatz dazu erzeugt die Mischung von äußerlich stoischer Ruhe und gleichzeitiger Introspektive des Indianers Disharmonie. Die sorgt für äußerst komische Momente, in denen der Held seine Rolle perfekt beherrscht, er wirkt weise und gelassen, innerlich ist er aber völlig ratlos und verunsichert. (...) Die Reise ins Ich eines Möchtegern-Indianers liest sich wie Zapping durch drei Fernsehkanäle im Samstagabendprogramm: Action-Komödie, Liebe und Psycho-Drama - gut gemischt und leicht verdaulich.

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Dietmar Adam in Buchprofile für die katholische Büchereiarbeit 45/2000:

Mit rasanter Geschwindigkeit, grotesker Komik und sich steigernder Spannung entwickelt der junge Autor eine schwarze Satire auf manche Auswüchse unserer Gesellschaft (u.a. Talkshows, Fanclubs, populistische Politiker, Esoterik-Rummel). Neben der ausgeflippten Handlung kann der Roman jedoch auch literarisch überzeugen. Kultbuchverdächtig.

Frank Schorneck in Macondo 3, Januar 2000:

Red Rains anhaltende Haßtirade ist dabei herrlich boshaft, greift von der Esoterikwelle bis zum Ballonseidenanzug so ziemlich alles an, was in seine rhetorischen Fänge gerät. Auch wenn ich ursprünglich ein wenig zurückzuckte, als Marcus Jensens Debüt als "DER Milleniumsroman" angepriesen wurde, hier ist jemand, der den Zug in Fetzen bombardiert und mit eben diesen Bruchstücken zu einem den Mad-Max-Filmen entsprungenen Gefährt umfunktioniert. Diese Maschine nimmt unaufhaltsam Fahrt auf und walzt alles nieder, was ihr im Weg steht. Jensen packt uns mit seiner Wortgewalt und seinem schonungslos bösen Humor, so daß man den eher zögerlichen Anfang schnell vergißt und dem Roman so manche Plattheit gerne verzeiht. Ein Heidenspaß!

(ka) in P.S. (Zürich) 2.3.2000:

Marcus Jensen legt mit seinem Erstling Red Rain eines der überflüssigsten Bücher des Jahres wenn nicht Jahrhunderts vor. Die bemühte Handlung, an der masochistisch veranlagte Lesende, die das Buch nicht nach den ersten zwanzig Seiten angewidert weggelegt haben, ungläubig teilhaben, ist eine hochnotpeinliche Nabel- respektive Schwanzschau eines neurotischen Altanarchos, unverständlich und lieblos. Das Ganze wird noch gezwungener durch die ach so abgelutscht witzige, hyperfiebrige Sprache (...). Leider fehlt Jensen das Talent eines Woody Allen, der solche Geschichten furios und mit einem Augenzwinkern erzählen kann. Red Rain ist schlechter als jede B-Movie-Kopie eines James Bond-Films.

Charlotte Brombach in Frankfurter Rundschau vom 17.3.2000:

Diesen Redeschwall, die äußere Handlung und das "Wettangsthaben" in der "Endzeit-Show" im Fernsehen verschachtelt Jensen geschickt ineinander. Die Wiedergabe dieses Wahrnehmungswahns, dieser Tonspuren, die da ständig parallel ablaufen, ist allerdings an einigen Stellen so überdreht, dass man sich einer Übersteuerung im akustischen wie im schreibtechnischen Sinne ausgesetzt fühlt: einem Dröhnen, das die mögliche Schärfe einer Zeit- und Medienkritik in sich selbst verhallen lässt. (...) Doch das Ende ist seltsam, keineswegs aufregend. Selten steht man als Leser mit so dermaßen leeren Händen da: ein lauer Untergang des Helden. Das ist gemein. Aber natürlich geschickt gemacht, die Enttäuschung über das 'echte' Millennium lässt grüßen.

Alexandra Simon unter gazette.de, August 2000:

Noch einmal davongekommen? Nein. Der Jahrtausendsprung war nur ein kaum spürbarer Höhepunkt, und auch danach geht der Wahnsinn weiter, Event nach schrillem Event, so laut und ungebremst wie vorher. Das furiose Tempo treibt auch Marcus Jensens Erstlings-Roman Red Rain an. (...) Klar: Dieser Schluß entspricht weder dem rasenden Fahrt- und Sprachtempo der 171 Seiten vorher noch dem wie in einem Fellini-Film bis dahin aufgebauten Spannungsbogen. Aber man nimmt es hin, daß (...) diese lange Erzählung so enden muß, weil der durchfahrene Wahnsinn (...) überhaupt nicht zu Ende ist, sondern munter weiterläuft - und zwar gar nicht virtuell, sondern in Echtzeit. Tagtäglich. (...) Die Beschleunigung, den Medien- und Event-Irrsinn einer aus den Fugen geratenen Zeit hat Marcus Jensen in eine schmiegsame, vielstimmige, erfindungsreiche und unverwechselbare Sprache eingefangen und in ein literarisches Kunstwerk eigener Art komponiert.

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Ferdinand Schmökel unter faznet.de, 7.1.2001:

Red Rain erinnert an die Zeit, es war Ende der 70er, als die Indianer nach Deutschland kamen. (...) Die Spur zu den tapferen Kriegern verlor sich langsam. Und nun ist er wieder da, der Indianer-Freak. Marcus Jensen hat ihn geschickt. (...) Alles geht drunter und drüber in den letzten Stunden des alten Jahrtausends. Mit den vielen Übertreibungen, denen er immer noch eins draufsetzt, schlittert Jensen allerdings oft knapp an einem Hanswurstspiel vorbei. Dass er manchmal etwas zu dick aufträgt, kann man ihm gerade noch verzeihen, lebt der Erzählbogen doch von diesem starken Tobak, zu dem Menschen aus Angst vor dem Unfassbaren neigen. (...) Red Rain versteigt sich während der Fahrt in ein Paranoia-Kaleidoskop, das man einer Romanfigur, die nicht recht weiß, wie ihr geschieht, abnehmen kann. (...) Red Rain (...) entwickelt sich zum Schluss fast noch zum richtigen Indianer - und macht alles falsch. Das Ende überrascht und soll hier nicht verraten werden. Jensen hätte den Schluss in ein furioses Sylvesterfeuerwerk absurdesten Slapsticks münden lassen können. Dass er aber gerade das nicht tut, lässt von dem Roman, der einige Zeit vor dem Jahreswechsel erschienen ist, mehr in Erinnerung behalten als die endlose Kalauerei eines abgehalfterten Hippies.

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